Kommunikation - eine französisch/italienisch/deutsche Komposition

Schreibwerkstatt


 
Diese Gastseite bietet Jedermann und -frau die Möglichkeit seine/ihre Sicht zum Jahr 2029 zu präsentieren. Schreiben Sie über Ihre Erfahrungen, Eindrücke, Meinungen, und ergänzen Sie so das von S. Flor gezeichnete Bild. Gerne würde ich auch von anderen "Berichten aus der Zukunft" erfahren.

 
 
Obwohl inzwischen Rentner, arbeite ich nach wie vor in meinem Beruf - von Haus aus Agrarwissenschaftler war ich seit jeher tätig als Marketingexperte für biologische Lebensmittel. Während der letzten Jahre war ich am Aufbau neuer Vertriebswege für derartige Produkte im Kölner Raum beteiligt. Es mag ein wenig unbescheiden klingen, aber in diesem Feld gehöre ich sicherlich zu den Zeitzeugen eines Prozesses, der in enthusiastischer Weise mit Experimenten in den siebziger Jahren begann, der eine Phase der Professionalisierung folgte und der letztendlich zur 
Schaffung gänzlich neuer Strukturen in den letzten Dekaden führte.
Ich entsinne mich dabei noch recht gut an das Gefühl der Enttäuschung,  welches zur Jahrhundertwende empfand. Sicher, das Präfix "bio" hatte zu dieser Zeit seinen Platz erobert und das entsprechende "Marktsegment" wies durchaus akzeptable Zuwachsraten aus. Aber mir war dabei sehr bewusst, dass diese Nische auch eine Art Entschuldigung für eine Entwicklung in der konventionellen Lebensmittelindustrie bot, die desaströse Folgen nach sich ziehen würde. Und die Nische selbst? Nun, die "Bio-" Zertifikate, die wir erarbeitet hatten, waren kein Betrug. Insgesamt jedoch war der Produktionsprozess keineswegs in Einklang mit ökologischen Prinzipien: die Konsumstrukturen der damaligen Zeit zwangen uns zu sogenannten "Convenience Produkten", verpackt in Materialien, die von meinen Kollegen mit dem Euphemismus "Kompromiss" belegt wurden. bei Einbeziehung aller Komponenten wie Verpackung und Transport wäre die Ökobilanz keineswegs positiv ausgefallen. Heute würde ich zugeben, dass gerade wir Aktivisten der ersten Stunde, die ihr Engagement professionalisiert und damit zur Lebensgrundlage gemacht hatten, verantwortlich für das Auslaufen der ersten Welle der ökologischen Bewegung waren.
Nur die veränderten Wirtschaftsbedingungen der letzten fünfundzwanzig Jahre erlaubten es uns, eine naturgerechte Lebensmittelproduktion zu schaffen, die diesen Namen wirklich verdient. Es ist die Nachfragestruktur auf regionaler Ebene, welche die Innovationen  in diesem Feld vorantreibt, eine Entwicklung, die sicherlich noch nicht zu einem Ende gekommen ist.
Vor meiner Lektüre von S. Flors "Flatlander" hätte ich den letzten Satz als gute Konklusion betrachtet. Aber diese kurze "Botschaft" erinnerte mich daran, dass Fortschritt nicht etwas ist, was sich immer weiter und weiter auf denselben Gleisen bewegt; wir müssen unsere Bereitschaft zum Sprung auf die andere Ebene erhalten!
© Sven Guentler, Köln

 
RolfSchroeder.H@t-online.de
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